Seit über einem Jahrzehnt setzt sich Gaby Schröder, ehemalige Geschäftsführerin des Alexander-Stifts und heutige Vorständin des Evangelischen Vereins Fellbach e. V., für eine Entbürokratisierung und mehr Vertrauen in die Pflegebranche ein. Ihre langjährige Erfahrung zeigt deutlich: Bürokratie und Misstrauen durchziehen nicht nur die Pflege, sondern generell Wirtschaft und Gesellschaft wie ein roter Faden. Schröder warnt seit Jahren, dass übermäßige Regulierung die eigentlichen Aufgaben der Pflege – nämlich die Zuwendung zu den Menschen – gefährdet und zu einem immensen Druck auf die Mitarbeitenden führt.
Ein hoffnungsvoller Schritt: Ankündigungen von Sozialminister Lucha
„Die Ankündigung von Sozialminister Manfred Lucha, Maßnahmen zur Deregulierung und Entbürokratisierung im Pflegebereich einzuleiten, ist ein dringend nötiges Signal. Es freut mich, dass der Minister lernfähig ist und Veränderungswillen zeigt“, sagt Schröder. Sie betont dabei jedoch, dass die Maßnahmen auch mit Bedacht erfolgen müssten. Sie warnt vor einer Einschränkung der Rechte von Pflegeheimbewohner:innen und Klienten der ambulanten Pflege: „Eine Entlastung der Pflege darf nicht auf Kosten der Menschen gehen, die auf diese Einrichtungen und Dienste angewiesen sind“, so Schröder.
Pflegekräfte wollen pflegen, nicht verwalten
Eines ist für Schröder klar: Pflegekräfte, egal ob im stationären oder ambulanten Bereich wie beim Evangelischen Verein, möchten ihre Zeit den Menschen widmen und nicht der Bürokratie. Aktuell aber dominieren Dokumentationspflichten und Verwaltungsaufgaben den Arbeitsalltag, was nicht nur frustriert, sondern auch wertvolle Zeit und Ressourcen bindet.
Dieser Missstand betrifft nicht nur die Pflege, sondern auch den anderen wichtigen operativen Bereich des Evangelischen Vereins – die 18 Kindertageseinrichtungen in Fellbach, Schmiden und Oeffingen. Die Vorständin fordert daher von der Politik, den begonnenen Weg der Entbürokratisierung auch im Bereich der Kindererziehung konsequent weiterzuführen. „Unsere Erzieherinnen und Erzieher möchten sich auf die Kinder konzentrieren, deren Förderung und Betreuung – nicht auf Verwaltungsabläufe und endlose Dokumentationen.“
Fachkräftemangel: Dringender Handlungsbedarf
Der Fachkräftemangel in der Pflege und Kindererziehung verschärft die Situation zusätzlich. Schon jetzt warnen Expertinnen und Experten davor, dass in wenigen Jahren eine ausreichende Versorgung nicht mehr gewährleistet sein könnte. Gaby Schröder sieht dringenden Handlungsbedarf: „Wenn wir nicht gegensteuern, stehen wir vor einer Versorgungskrise, die sowohl Pflege als auch Bildung betrifft. Gleichzeitig werden Dienstleistungen immer teurer. Das ist eine Entwicklung, die für viele Menschen nicht tragbar ist.“
Es braucht mutige und langfristige Maßnahmen, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken. Für Schröder bedeutet dies nicht nur eine umfassende Entbürokratisierung, sondern auch neue gesellschaftliche Strukturen, die eine stärkere Solidarität fördern.
Vision einer sorgenden Gesellschaft
Gaby Schröder schlägt die Einführung eines Gesellschaftsjahres für alle Schülerinnen und Schüler vor. Dieses könnte nicht nur im sozialen Bereich stattfinden, sondern auch in ökologischen Projekten, bei der Feuerwehr, in Sportvereinen oder bei der Bundeswehr. „Ein solches Jahr würde nicht nur den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken, sondern auch jungen Menschen die Möglichkeit geben, Verantwortung zu übernehmen und unterschiedliche Berufsfelder kennenzulernen“, erklärt Schröder.
Darüber hinaus plädiert sie für den Aufbau von Strukturen, die eine sorgende Gesellschaft fördern. Hier sieht sie trotz aller finanziellen Engpässe die Kommunen in der Pflicht.
Ein Aufruf an die Politik und Gesellschaft: Der Wandel ist jetzt nötig
Gaby Schröder bezeichnet die kommenden Jahre als entscheidend für die Zukunft der Pflege und Erziehung. „Wir stehen an einem Scheideweg. Entweder wir schaffen es, die Strukturen so zu verändern, dass Menschen wieder im Mittelpunkt stehen, oder wir riskieren eine Krise, die die gesamte Gesellschaft betrifft.“
Der Handlungsdruck ist groß, und die kommenden Entscheidungen werden weitreichende Folgen haben. Gaby Schröder appelliert daher an die Politik, ihre Ankündigungen in konkrete Maßnahmen umzusetzen – nicht nur in der Pflege, sondern in allen Bereichen, die unser soziales Gefüge betreffen. Sie wendet sich auch an die Gesellschaft, aktiv an diesem Wandel mitzuwirken: „Nur gemeinsam können wir eine Zukunft gestalten, in der Pflege, Erziehung und Solidarität ihren verdienten Platz einnehmen – frei von unnötiger Bürokratie und voller menschlicher Zuwendung.“